Zwei Jahre ist es her, dass der 16-jährige Gießener Liam Stark die deutsche Meisterschaft im Boxen gewonnen hat – zum zweiten Mal in Folge. Pandemiebedingt musste 2020 die Deutsche Meisterschaft ausfallen, in diesem Jahr wurden die Kämpfe jedoch als Bundesranglistenturnier wieder ausgetragen. Für das Turnier in Lindow/Brandenburg wurden in der Altersklasse der unter 17-Jährigen die 76 besten Sportlerinnen und Sportler ausgewählt. Unter ihnen befand sich auch Liam Stark, der beim erfolgreichen Gießener Boxverein Uppercut trainiert.
Die Voraussetzungen waren jedoch nicht die besten: Das Angebot zur Teilnahme durch Landesjugendwart Servet Köksal kam nur knapp fünf Wochen vor Turnierbeginn. Die Trainingsmöglichkeiten waren in den letzten anderthalb Jahren durch die Pandemie stark eingeschränkt und zu guter Letzt steckt Liam noch immer mitten in den Vorbereitungen für seinen Schulabschluss. Angespornt durch die Aussicht auf eine Nominierung zur Europameisterschaft entschied sich Liam dennoch für eine Teilnahme am Bundesranglistenturnier. Mit der Unterstützung durch Uppercut-Trainer Eugen Mamberger galt es nun den Trainingsrückstand so schnell wie möglich aufzuholen. Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen, einer Wettkampfpause von gut anderthalb Jahren und nur vier Wochen Vorbereitung konnte Liam beweisen, dass er immer noch zu den besten Boxern Deutschlands gehört.
In der Gewichtsklasse 60kg ging er nun an den Start. Liams erster Gegner, der Berliner Danii Trevfilov, hatte schon vor zwei Jahren eine empfindliche Niederlage gegen den Gießener hinnehmen müssen. Der Berliner war bis zu diesem Kampf 2019 ungeschlagen und zusätzlich auch noch um zwei Köpfe größer als der Gießener. Der erste Kampf in einem Turnier ist immer schwierig – vor allem nach einer so langen Wettkampfpause. Liam konnte jedoch seine Akzente setzen und jede Runde für sich entscheiden. Das Kampfgericht entschied einstimmig 5:0 für den Gießener.
Im zweiten Kampf traf Liam dann auf seinen Finalgegner bei der deutschen Meisterschaft 2019. Der sehr starke Raschid Sangsari aus Nordrhein-Westfalen boxte clever und wusste genau was zu tun ist. Trotzdem konnte Liam auch hier wieder mit seinem Stil überzeugen. Geholfen hatte sicher auch die gute Vorbereitung und die präzisen Analysen des gegnerischen Kampfstils gemeinsam mit Trainer Mamberger. Liam konnte sich auch hier trotz der Stärke seines Rivalen souverän 5:0 durchsetzen und hatte damit sein Ticket ins Finale sicher.
Im Finale traf er auf den gefährlichsten Gegner seiner Gruppe. Zaurbeck Satymbaev trainiert am Olympiastützpunkt in Brandenburg und hatte allein dadurch wesentliche Trainingsvorteile, die selbst den Kaderathleten in ihren Heimatvereinen durch die Einschränkungen der Pandemie verwehrt geblieben waren. Durch die Stärke des Gegners war das Konzept des Gießeners hier den direkten Schlagabtausch zu vermeiden und sich nach kurzen Angriffen immer wieder zurückzuziehen. Dies gelang Liam zunächst sehr gut. Erst am Ende der ersten Runde musste Liam einige Schläge einstecken, was ihn kurz aus dem Konzept brachte. Erst am Ende der zweiten Runde fand Liam seine Linie wieder. In der dritten Runde ging Liams Konzept dann vollends auf. Der Gießener startete immer wieder kurze Angriffe, verhinderte den direkten Schlagabtausch und lieferte einen wirklich sehenswerten Kampf. Trotz der Schwierigkeiten in den ersten beiden Runden waren die Gegner auf Augenhöhe – Trainer Eugen Mamberger sah seinen Schüler knapp vorne. Das Gericht entschied sich leider dennoch für den Heimboxer. Trotzdem kann Liam stolz auf seine Leistung sein: Mit dem zweiten Platz hat Liam nun die Möglichkeit sich Anfang Juni in Bochum zu beweisen und sich für die Europameisterschaft zu qualifizieren.
Trainer Eugen Mamberger zieht auch aus anderen Gründen ein positives Fazit aus der Veranstaltung in Lindow: Erstmals wurde auf ein KO-System in den Gruppen verzichtet, so dass auch nach einer Niederlage die Möglichkeit besteht sich bis ins Finale vorzukämpfen. Möglich macht dies ein zusätzlicher Kampf der unterlegenen Boxer aus den ersten Kämpfen. Mamberger sieht dies als faire Chance für Boxer, die eventuell nur aufgrund eines Heimvorteils verloren haben.
Für Liam startet nun direkt das Training für die Qualifizierung zur Europameisterschaft. Das gesamte Team Uppercut hofft darauf, dass eine baldige Entspannung der Pandemiesituation auch für alle anderen Boxerinnen und Boxer in Zukunft wieder ein gemeinsames Training ermöglichen.